Referat Irene Suchy

Zurückgebliebene, Spießer, Befangene, Neoprimitivisten

Parameter der musikalischen Avantgarde abgelesen an den Komponistenbiographien von Friedrich Gulda, Otto M. Zykan, Paul Kont, Alfred Peschek, Gerhard Schmidinger und deren Feinden (kaum Feindinnen)

So wie die Geschichte des Publikums gut aus Polizeiakten abzulesen ist, so sind die Parameter der Avantgarde gut an den Kritiken der „Zurückgeblieben“ abzulesen.

Die Erarbeitung von Fragen

Am Anfang stehen die kaum gestellten Fragen nach den Parametern einer Avantgarde:
Wodurch konstituiert sich musikalische Avantgarde – durch ihr Repertoire, durch neue Kompositionstechniken, durch Zusammenarbeit mit anderen Künsten? Und wodurch grenzt sie sich ab?
Wie konstituieren sich die Lager des Nachkriegsmusiklebens – von IGNM bis Wiener Philharmoniker?
Wie verorten sich die Feinde der Avantgarde?
Welche Wortwahl für ihre Titel, welche Requisiten, welchen Habitus, welche Präsentationsformen, welche Orte wählt die musikalische Avantgarde?
Zu welchen politischen Lagern bekennen sich die kompositorischen Avantgardisten? An welchen politischen Bewegungen – Künstler für den Frieden etc. – beteiligen sie sich? Welche gesellschaftspolitischen Themen – von Zivildienst bis Atomkraft – greifen sie auf?
Welche politische Haltung vertreten sie verbal und tatsächlich?
Welchen Genres und kompositorischen Aufgaben – von Film, Werbespot, Tanz-Theater, Chanson, Wiener Lied – wenden sie sich im Gegensatz zu den andern zu?
Welche organisatorischen Aufgaben übernehmen sie?
Was bedeutet Wien als Inspiration, Heimat, Bühne für die musikalischen Avantgardisten?
Inwieweit wollen sie den Raum außerhalb Wiens erobern und bespielen – Friedrich Gulda Ossiach, Karl Prantl/ Friedrich Cerha St. Margareten – und auch den Raum außerhalb der Musik?
Welche Wahrnehmungen der Missachtung – von „Narr“ bis „Pubertierender“ – hängen ihnen die Zurückgebliebenen um?
Wer unterstützt die Vorangehenden?

Auf der Suche nach Antworten stütze ich mich
– auf das Quellenstudium der musikalischen Ereignisse, das sich in unveröffentlichten Texten und Dokumentationen der Fernseh- und Rundfunkanstalten befindet.
– auf eine große Skepsis in den Erinnerungen und Aussagen der Beteiligten, die mit der zeitlichen Entfernung vom Forschungsgegenstand immer größer wird.

Tendenzen in der österreichischen Musikszene der 2. Republik

Das Bekenntnis zu liberalen, antifaschistischen, demokratischen Inhalten

1947 wird der Art Club gegründet und seine Aktivitäten dauern bis 1959. Es wird im „Strohkoffer“, im Keller der Loos-Bar musiziert, aber auch in Galerien, Bars oder Geschäftslokalen vor allem des 1. Bezirks. In den gemeinsamen Auftritten von Uzzi Förster, Gerhard Rühm, Friedensreich Hundertwasser, Martin Kink, Ernst Kölz, Ferry Radax, Friedrich Gulda, Joe Zawinul, Hans Kann, Friedrich Cerha, Gerhard Lampersberger, Anestis Logothetis, Franz Schmitzer und Oswald Wiener manifestiert sich großes gegenseitiges künstlerisches Interesse.

Die Musik dieser Avantgarde wird wesentlich von Künstlern vorangetrieben, die keine musikalische Ausbildung haben. Es ist vor allem die Überschreitung disziplinärer und professioneller Grenzen, um die es diesen Protagonisten geht.

Den antifaschistischen Grundkonsens, den der Art-Club von seinen Mitgliedern fordert, verlangen auch Komponisten- und Komponistinnen-Organisationen. Im IGNM-Archiv Wien 3, Ungargasse finden sich die schriftlichen Erklärungen der einzelnen Mitglieder, die versichern, nicht NSDAP-Mitglied gewesen zu sehen. Die Wahl Hanns Eislers in den Vorstand der IGNM im Jahr 1949 kann als Bekenntnis gewertet werden. Die politische Haltung zeigt sich auch in der Offenheit für „schwarze“ MusikerInnen: im Jahre 1952 ist das „Porgy und Bess“-Ensemble im „Strohkoffer“ zu Gast. Die musikalisch-künstlerischen Manifestationen sind nicht auf wenige Genres beschränkt. Es gibt Jazz und Jam Sessions.

Die Programmzusammenstellungen der Festivals Friedrich Guldas und ihre Inszenierungen sind antifaschistisch geprägt und das wird auch so rezipiert. 1969 liest Gulda beim „Internationalen Musikforum Ossiacher See“ aus einem Protestbrief vor: „Wir, die wir die Ehre bei Stalingrad verteidigt haben, wir müssen nun die Kultur des Abendlandes von dieser negerischen Musik besudeln lassen….“ Und Paul und Limpe Fuchs stellen fest: „Viele Leute mögen unsere Musik, viele mögen sie nicht, aber Faschisten hassen sie.“

Guldas Haltung ist jedoch ambivalent: Zwar ist eine prononciert antifaschistische Bemerkung von ihm gegenüber der Plattenfirma „Deutsche Grammophon“ dokumentiert, andererseits hat er mit ihr zusammengearbeitet. Und gegen Wilhelm Backhaus inszeniert er eine Plakataktion, veranstaltete aber dann doch Backhaus-Gedenkkonzerte. Von durch das NS-Regime ins Exil getriebenen Akteuren des internationalen Musiklebens – dem Organisator des Genfer Musikwettbewerbs Friedrich Liebstöckl und seinem argentinischen Manager Hermann Frischler – hat er profitiert, hat jedoch das Thema Exil niemals angesprochen.

Die Überwindung des Spießers – Ossiach

Den Spießer zu überwinden ist ein Topos, der die Akteure antreibt. Alfred Peschek widmet Otto M. Zykan 1968 eine Komposition „Zy….“ – „möge es den Spießer weinend machen, den Befangenen unbefangen, die Unbefangenen aber amüsieren.“

Verschiedene Strategien sollen zu dieser Überwindung des Spießers führen – inhaltliche wie organisatorische. Um für seine Ideen freien Raum zu haben, geht Friedrich Gulda in die Provinz. Ossiach wählt er für seine Festival-Pläne aus. Bei der Programmierung folgt er politischen Ideen. Er will explizit die Musik von Unterdrückten aufnehmen, subsumiert darunter Weltmusik aller Genres, aber auch Popmusik. Ausgeklammert bleibt jedoch noch die Musik von Frauen.

Vor allem wird eine Balance zwischen gesellschaftspolitischen und musikalischen Inhalten angestrebt. Das Programm umfasst nicht nur Musik, sondern auch Vorträge zu Philosophie und Psychologie sowie Diskussionen – z.B. über Zivildienst.

Andere Maßnahmen sind organisatorischer Art: Gulda will sich der Kommerzialisierung verweigern. Beim „Klassischen Gulda-Orchester der Wiener Symphoniker“ gibt es eine demokratische Honorar-Aufteilung, die zwischen Dirigent, Solist, Stimmführer und Tutti-Spieler keinen Unterschied macht.

Er bringt in den Musikbetrieb unkonventionelle Ideen ein wie die Selbstbestimmung des Publikums bezüglich Bekleidung, Platzwahl und Kartenpreis. Es gibt keine Eintrittskarten beziehungsweise Eintrittspreise, die auf das Einkommen der Gäste Rücksicht nehmen. Die Bezahlung der Musiker erfolgt – wie bei vielen österreichischen Kammermusikfestivals – durch Verköstigung mit Essen und Trinken. Die Dramaturgie der Orte des Festivals Ossiach umfasst eine Bühne im Stiftshof, Sakristeien, Liegewiesen, Bootsstege und Stiftsäle. Ein „Einwurfkasten“ am Eingang zum Stiftshof sammelt Vorschläge und Kritik der Gäste und Mitspielenden.

1968 findet das erste „Internationale Musikforum Ossiach“ statt. Aus einer Reihe von Titelvorschlägen „Ossiach – ein Spiegel der Musik“ – „Ossiach – ein winziges Rädchen in der richtigen Musikmaschine“ – „Musik aus der Welt von morgen im Ossiach von heute“ – „Ossiach – Anarchie oder Fortschritt in der Musik“ – „Die Improvisationsmusiker üben den Aufstand“ entscheidet sich Gulda für „Ossiach musste erfunden werden.“

Und dieses Ossiach ist zwiespältig: Einerseits ist es – bei den „Spießern“ – sofort als Subkultur-Festival verpönt. Andererseits werden auch klare Zeichen von Hochkultur gesetzt: „Alle Bürger und Bürgerinnen“ sind zur feierlichen Eröffnung der Musikforen 1968 und 1969 „in Anwesenheit zahlreicher Vertreter des öffentlichen und kulturellen Lebens mit Rundfunk und Fernsehen“ eingeladen. Der breite Publikumsgeschmack wird mit einem „Kärntner Nachmittag“ mit den „Lustigen Oberkärntnern“ bedient und einem „Jazzband-Ball“ im Stiftsgarten, an dem kein Geringerer als Fatty George mitwirkt. Der Obrigkeit wird Tribut gezollt, indem Unterrichtsminister Theodor Piffl-Percevic, der Kärntner Landeshauptmann Hans Sima und der Bischof von Gurk Josef Köstner eingeladen werden, den Ehrenschutz zu übernehmen.

Sehr bald aber entsteht unter den Beteiligten Zwist und Spaltung: Aus Guldas Musikforen entwickelte sich der Carinthische Sommer. Dieser verleugnet zwar seine Entstehungsgeschichte aus Guldas Festival, aber es sind Musikforumsteilnehmer und -teilnehmerinnen, die – geeint in der Ablehnung gegenüber Gulda – in Ossiach 1969 ein Festival gründen, aus dem der „Carinthische Sommer“ wird. Gulda und sein Manager Bergelt wollen daraufhin das Ossiacher Musikforum im Zwei-Jahres-Rhythmus fortführen, was noch bis 1973 gelingt.

Gast sein in Wien, gespiegelt im Genre Anti-Wiener-Lied, und die Suche nach dem Ort

Ein sehr spezielles musikalisches Genre dieser Avantgarde ist das Anti-Wiener-Lied – ein Wiener Lied abseits von Jubel oder Sehnsucht nach Vergangenheit, in dem es allen schlecht geht und alles meist schlecht ausgeht, der Tod immer präsent ist.

Der radikalste Protagonist des Anti-Wiener-Lieds ist Joe Berger – seelenverwandt mit Georg Kreisler, Gerhard Bronner und Helmut Qualtinger – und mit Otto M. Zykan, der in seiner Wiener Elegie für Stimme und Streichquartett die Vorfreude auf den Tod als Vorfreude auf das Gefressenwerden verdichtet: „Freudig erwachend erschrak ich aber jäh, weil ich, noch am Leben, offensichtlich von der Vorsehung vergessen, verraten, verschmäht wurde. Sollte ausgerechnet ich ausgeschlossen bleiben?“

Einer der Orte für Joe Bergers Musik ist das 20er Haus, das Museum des 20. Jahrhunderts, wo neue Musik in den 60er Jahren in den Konzerten des Ensembles die reihe 1964 und die Salonkonzerte des „MOB art & tone ART“-Ensembles mit Otto M. Zykan stattfanden.

Wenige nahmen sich der Texte Joe Bergers als Komponisten an: Ernst Kölz komponierte „Wiener Depressionen“, Chansons nach Gedichten von Joe Berger aus dem Jahr 1979. Erst hätte Qualtinger die Kölz-Lieder singen sollen, schließlich sang sie aber Joe Berger selbst. Der Dichter als sein Sänger, ebenso wie in der im Vertrieb der Extraplatte erschienenen CD des HOTEL MORPHILA-Orchesters: Hier spielen und singen mit Joe Berger Loys Egg, Peter Ponger, Peter Weibel, Paul Braunsteiner, Ronald Artlieb, Stefan Pfeistlinger und Heinrich Pichler. Das Cover der CD zeigt das Foto eines Events im Museum des 20.Jahrhunderts, Joe Berger mit Hut auf dem Bauch am Boden liegend, in der Hand das Mikrophon, singend.

Ein anderer Ort ist das Wirtshaus, wo Joe Berger Don Giovanni gibt, dokumentiert in einem ORF-Mitschnitt Vertreibung aus dem Paradies und einem Gemälde des Malers Franz Ringel.

„ein echter wiener will halt blind sein,
ein echter wiener will nichts sehn,
ein echter wiener will halt hint sein,
und nur mit vorbehalt die welt verstehn.“

– So geht der Refrain in „ein wienerlied für sehenden bariton und blinden bass.“

„wos ist denn bloß mit wien nur los?
die stadt schlaft wie a kind.
die sonne scheangelt riesengross
der donau auf den grind.
der ane hot die hatt die ohr´n verlorn,
der andere die aug´n,
so sizzens vor dem fernsehschirm
die weite welt anschaun.

1969 fahren Joe Berger, Otto Kobalek und Reinhard Priessnitz zu einem Musik-Ort unter freiem Himmel, der Burg Waldeck. Die Burg-Waldeck-Festivals im Hunsrück 1964 bis 1969 waren die ersten Open-Air-Festivals in Deutschland und bildeten einen entscheidenden Abschnitt in der deutschen Folkgeschichte. Sie waren beeinflusst vom französischen Chanson und der amerikanischen Folk- und Protestlieder-Szene und setzten das engagierte und kritische Lied als Gegenpol zum damals gängigen deutschen Schlager.

Joe Berger, Otto Kobalek und die „First Vienna Working Group: Motion“ treten, wie auf der CD 10 des bei Bear Family Records erschienenen Kompendiums nachhörbar, mit einer Publikumsbeschimpfung auf. Über diesen Auftritt schreibt der Spiegel 1969: „Solche Masturbation war der ,First Vienna Working Group: Motion´ alsbald ein Greuel. Die Happening-Truppe besteht aus zwei leicht vampirischen Wienern, dem einstigen ,Lackingenieur´ Joe Berger, 30, und dem gewesenen Kohlenträger und Schauspieler Otto Kobalek, 38; ihre Einlagen waren von ruchlosem Witz. Beim Auftritt der vom Schriftsteller Joe Berger gegründeten Happening-Kunstgruppe ,First Vienna Working Group´ zur Hungerkatastrophe in Biafra kam es zu einem Eklat; sie ließ sich ein üppiges Essen auf die Bühne bringen und gab hin und wieder nur eine Phrase von sich, was einige ,orthodoxe Revolutions-Dogmatiker´ so provozierte, dass sie die Bühne stürmten und die Künstler flüchten mussten. Der Kulturtheoretiker Klaus Theweleit schrieb dazu in der ZEIT: ,Selbst der provokative Angriff auf die Konsumentenhaltung wird vom überwiegenden Teil der Zuschauer bloß konsumiert, vom Rest missverstanden, und nur von ganz wenigen als Angriff auf die im Ritual festgefrorenen Theaterformen erkannt.´“

An diesem letzten Burg Waldeck-Festival nimmt auch der österreichische Avantgarde-Schriftsteller und Theoretiker Rolf Schwendter teil, Günter Wallraff liest aus seinen Undercover-Erfahrungen als Arbeiter, der Schweizer Liedermacher und Kabarettist Franz Hohler treten auf. Der Spiegel resümiert am 22. September 1969: „Gegenüber den vorigen Festivals hatte sich die Publikumsstruktur völlig verändert, die Dogmatiker hatten die Überhand; ein Festival im Sinne von ,Chanson Folklore International´ war nicht mehr durchführbar.“ Der Versuch, ein deutsches politisches Chanson zu etablieren, war gescheitert. Ende der 60er Jahre wollte die Musik mit der Politik nichts mehr zu tun haben; Waldeck endete – wie auch wenig später Ossiach.

Wie Joe Bergers Lieder, etwa sein „pessimistenblues“ stehen auch die Lieder Friedrich Guldas in der Tradition des kritischen Wienerlieds. Gulda holt dieses Genre erstmals in den Konzertsaal. Aber der Wiener Gulda fühlt sich nur als Gast in seiner Heimat, als Besucher. Vienna Revisited nennt Gulda 1969 eine Langspielplatte, auf deren Cover eine Bassena zu sehen ist, Symbol seines Wiens, seines Kindheits-Wiens. Im vierten Golowin Lied dichtet er:

„Auf Visit´ bin i…
Überall auf Visit´…
Nur auf Visit´.

I war scho weit…
Viel bin i umanandakumma´…
Weit bin i g´west…
Bis Tokio, bis Idaho, bis Rio de Janeiro
und was waß´ i, wo sonst überall no…
Aber überall nur auf Visit´.

Dann kumm´ i z´Haus…
Was hätt´ i dort tuan soll´n?
Wähl´n? Steuer zahl´n?
Ein Bürger sein…
Des hätt´n s´ woll´n!
Geh´, hört´s ma auf!
I bin doch eh nur auf Visit´.“

Aushängeschilder.
Die politische Repräsentation der Musikszene Österreichs im Ausland.

Parallel zu den avantgardistischen Tendenzen gibt es von denselben Protagonisten auch angepasste Ausdrucksformen ihrer Musiktätigkeiten – als Aushängeschild.
Das Aushängeschild ist ein kulturelles Ereignis, das denen, die es aushängen, Ansehen und Image verleiht. Es suggeriert Normalität und Qualität. Es ist mit Einladung und Gastgeberschaft verbunden, überwindet also das, womit im Krieg Reise konotiert war: Front, Verfolgung, Besetzung. Die Einladung ist eine Win-Win–Situation und erhöht das Image der Eingeladenen und der Gastgebenden. Sie macht wertvoller und erweitert den eigenen Wirkungskreis. Wenn man das Aushängeschild wieder einzieht und bei sich zu Hause ausstellt, hat es den Glanz des Auslands noch an sich. Es verweist auf den, der es aushängt und er darf sich verbergen.

Die Auslandstournee wird zum Qualitätsmerkmal. Zahlreiche österreichische Ensembles generieren ihre Reputation vor allem über Auslandstourneen. Der Chor der Wiener Sängerknaben reist seit 1946 wieder in Europa und 1967 verzeichnet er bereits seine 24. USA-Reise.

Als Friedrich Gulda 1946 den ersten Preis beim Genfer Musikwettbewerb bekommt, wird ein Zug „Mozart Express“ benannt, um den USA-Hochkommissar der alliierten Verwaltung Österreichs zu beeindrucken.

Theo Cieplik, Guldas Agent, sieht das Orchester der Wiener Symphoniker nicht eingestuft „in die Reihe der ersten internationalen Orchester“, weil es „bis heute noch keine Überseetournee gemacht hat“ und „nach dem Ende der Zusammenarbeit mit Karajan also um seine Weltgeltung kämpft“. Eine Recherche im Archiv des Orchesters ergibt jedoch, dass die Wiener Symphoniker seit 1947 neben ihren jährlichen Reisen innerhalb Österreichs ausgedehnte Auslandstourneen bestritten haben, nicht nur in die meisten europäischen Staaten – auch die Ostblockstaaaten Polen und Tschechoslowakei, – sondern 1956 bereits nach Syrien.

Das Aushängeschild Internationalität definiert sich aber keineswegs nur über klassische Musik: Schon 1958 präsentiert sich Österreich bei der Weltausstellung mit Jazz-Konzerten, an denen unter anderen Erich Kleinschuster mitwirkt.

Literatur:

° Behr, Hans-Georg: Fast ein Nomade. Wien 2009.
° Behr, Hans-Georg: Fast eine Kindheit. Frankfurt am Main 2002.
° Diederichsen, Diedrich u.a.(Hg.): Golden Years. Materialien und Positionen zu Queerer Subkultur und Avantgarde zwischen 1959 und 1974. Graz 2006.
° Drexler, Martin W., Markus Eiblmayr und Franzika Maderthaner(Hg.): Idealzone Wien. Die schnellen Jahre (1978–1985). Wien 1998.
° Feigl, Markus: Off Limits – Plakate aus Wien nach 1945. Ausstellungskatalog Wienbibliothek. Wien 2005.
° Ulrike Felber, Elke Krasny, Christian Rapp: Smart Exports. Österreich auf den Weltausstellungen 1851–2000. Wien 2000.
° Oberkanins, Ingrid M.: Neue Musik im Umfeld des Art Club. Unveröffentlichte Diplomarbeit. Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien 1991.
° Fialik, Maria: „Strohkoffer“-Gespräche. H. C. Artmann und die Literatur aus dem Keller. Wien 1998.
° Heller, André und Helmut Qualtinger: Sitzt ana und glaubt er is zwa. Verlorengeglaubte Gelegenheitsgedichte. Wien 1996.
° Julia König-Rainer: Plakate der 50er Jahre. Wienbibliothek 2009.
° Kolleritsch, Elisabeth: Jazz in Graz. Von den Anfängen nach dem Zweiten Weltkrieg bis zu seiner akademischen Etablierung. Ein zeitgeschichtlicher Beitrag zur Entwicklung des Jazz in Europa. Graz 1995.
° Koroschitz, Werner(Hg.): My Generation 1968–2008. Aufbruch in der Provinz? Ausstellungskatalog. Klagenfurt 2008.
° Kruntorad, Paul: Physiognomie der 2. Republik von Julius Raab bis Bruno Kreisky. Katalog zur Ausstellung in der Österreichischen Galerie zum Belvedere. Wien 2005.
° Maringer, Dominik: Jazz in Kärnten. Unveröffentlichte Diplomarbeit. Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien 1999.
° Mythos Art Club. Der Aufbruch nach 1945. Ausstellungskatalog. Kunsthalle Krems 2003.
° Ossiach mußte erfunden werden. Die Musiker improvisieren den Aufstand. Ein Bericht über das erste und zweite Internationale Musikforum Ossiachersee von Franz Endler. Mit Beiträgen von Friedrich Gulda, Siegmar Bergelt, Henry Pleasants u. a. Ossiach 1971.
° Popensohn, Aljoscha und HC Artmann: Das Fest der fetten Weiber. Wien 1985.
° Suchy, Irene: Grüße von Gulda. Eine Hommage. Zeitschrift der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien. Dezember 2005.
° Suchy, Irene: Die Komponistin Elfriede Jelinek. In: Pia Janke(Hg.): Elfriede Jelinek: „Ich will kein Theater”. Mediale Überschreitungen. Wien, Präsens Verlag, 2007. S. 377–387.
° Suchy, Irene: Latzhosen und lange Haare. 25 Jahre Friedensbewegung, Notizen zu einem fast vergessenen Jubiläum. Die Presse Spectrum 02.11.2007.
° Suchy, Irene: Otto M. Zykan Band I. Materialien zu Leben und Werk. Wien 2008.
° Suchy, Irene: Das Werden der Staatsoperette in Originaldokumenten – Rekonstruktion eines Prozesses. In: Evelyne Polt-Heinzl: Staatsoperetten – Kunstverstörungen. Das kulturelle Klima der 1970er Jahre. ZIRKULAR Sondernummer. Verlegerin: Dokumentationsstelle für neuere österreichische Literatur Wien 2010.
° Suchy, Irene: Friedrich Gulda Ich-Theater. Wien Graz Klagenfurt 2010.
° Suchy, Irene: Die Musik des Joe Berger. In: Sammelband Symposium Klagenfurt 2010. (In Vorbereitung).

Filmdokumente

° Wien, du Stadt meiner Träume. Gulda spielt Alfred Uhl. Regie Willy Forst 1957.
° Mann im Schatten. Musik Friedrich Gulda. Regie Arthur Maria Rabenalt. 1961.
° Friedrich Gulda. Euro Jazz – 1. Konzert. Dokumentation ORF 1964.
° Friedrich Gulda Les Hommages – Euro Jazz. Dokumentation ORF 1966.
° Necronomicon. Musik Friedrich Gulda und Jerry Van Rooyen. 1967. Regie Jess Franco.
° Freude an Musik. Dokumentation ORF 1968.
° Moos auf den Steinen. Musik Friedrich Gulda. Regie Georg Lhotsky. 1968.
° Musikforum Ossiacher See 1968. Dokumentation ORF 1968.
° Musikforum Ossiach 1969. Dokumentation ORF 1969.
° Wien. 3. Beethoven Klavierwettbewerb. Dokumentation ORF 1969.
° 3. Internationales Musikforum Ossiacher See 1971. Dokumentation ORF 1971.
° Musik zum Ansehen, Folge 3: Hände an den Tasten. Dokumentation ORF 1972.
° 5. Internationales Musikforum Viktring 1973. Dokumentation ORF 1973.
° Musikclub der Jugend: Begegnung mit Friedrich Gulda. Dokumentation ORF 1975.
° Friedrich Gulda. Sein Weg von Bach bis Anima. Dokumentation ORF 1976.
° Cafe Central – der legendäre Strohkoffer. Dokumentation ORF 1981.

Irene Suchy, Mag. Dr., Musikwissenschafterin und Musikjournalistin. Studium der Musikpädagogik und Germanistik an der Hochschule für Musik und Universität Wien. Forschungsaufenthalte in Japan. Universitätslektorin an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien und an der Fachhochschule St. Pölten; Ö1 Musikredakteurin, Ausstellungs-Kuratorin, Konzert-Dramaturgin und Buchautorin. Forschungsschwerpunkte: Musikmäzenatentum im 20. Jahrhundert, abendländische Musikgeschichte Japans, NS-Musikexil, Gender-Musikologie und die Musikgeschichte der Zweiten Republik. Publikationen (Auswahl): Empty Sleeve – der Musiker und Mäzen Paul Wittgenstein Wien/Innsbruck 2006; Otto M. Zykan – Materialien zu Leben und Werk Wien 2008; Friedrich Gulda – Ich-Theater Wien 2009.