Archivgespräche 2012

In der Sammlung Verbund

Ein Dutzend Wissenschaftlerinnen aus verschiedenen Disziplinen fanden sich am 10. Mai in der Sammlung Verbund ein, um am Beispiel der Ausstellung Cindy Sherman – frühe Werke performative und feministische Aspekte von Nachkriegsavantgarde zu studieren und zu diskutieren.

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Ausführlicher Bericht folgt.

In der Medienwerkstatt Wien

Am 27. April 2012 fand in der Medienwerkstatt Wien ein Archivgespräch mit der Leiterin der Medienwerkstatt Gerda Lampalzer-Oppermann statt, an dem 7 Forscherinnen aus Medien-, Theater-, Kunst- und Literaturwissenschaft sowie Architekturgeschichte teilnahmen.

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Ausführlicher Bericht folgt.

Im Forum Frohner, Krems

Am 23. März 2012 unternahm eine ViennAvant-Gruppe von vier Kunstwissenschaftlerinnen und einer Theaterwissenschaftlerin eine Exkursion nach Krems und besuchte zunächst die Padhi Frieberger-Ausstellung im Forum Frohner. Das nach dem Künstler Adolf Frohner benannte Forum Frohner befindet sich im neu adaptierten Komplex des ehemaligen Minoritenklosters in Stein und ist seit 2007 ein weiterer Ausstellungsort der Kunsthalle Krems.

Die folgenden drei Fotos © Christian Redtenbacher.

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Sämtliche anderen Fotos © Helga Köcher

Padhi Friebergers künstlerisches Werk ist Ausdruck seines extremen Lebenskonzepts, das er als Gesamtkunstwerk versteht. Er sieht sich als «Protagonist» und war Vorläufer der verschiedensten avantgardistischen Strömungen: Radfahrer in Wien, als die Autolobby noch ihren Siegeszug feierte, ökologisch motivierter Atom-Gegner, als die grüne Bewegung noch nicht existierte. Er züchtete Friedenstauben und er lebte noch vor der Hippie-Bewegung ein Hippie-Dasein ohne Strom und ohne Fenster auf Schloss Hagenberg. Und es heißt, er habe auf einer Waschrumpel schon Free Jazz gespielt, bevor dieser noch in NY erfunden war. Dazu Falter 39/20120. In den 1950er Jahren trat er in der “Wirklichen Jazzband” mit Oswald Wiener (Trompete) und Gerhard Kubik (Klarinette) als Schlagzeuger auf. Siehe Andreas Felber. Die Wiener Free-Jazz-Avantgarde. Revolution im Hinterzimmer. Böhlau-Verlag

Er war im Art Club und im Umkreis der „Wiener Gruppe“ und der Filmavantgarde um Ferry Radax und Kurt Kren aktiv. Seine Malerei, seine Mail-Art-Collagen und Objekte erinnern an Merzkunst. Neben Gedichten und Gerümpelskulpturen entstanden fotografische Porträts, die die inszenierte Fotografie der 1980er Jahre vorwegnehmen. Ohne jemals selbst eine Kamera zu besitzen schuf er als «Lichtbildner» und «Porträtfotograf» ein beachtliches fotografisches Werk. Lange bevor es E-Mails gab versandte er seit den frühen 1950er Jahren «Mail-art» per Post in die ganze Welt. Er trat als gesellschaftspolitischer Aktivist und anarchistische Szenefigur auf. Peter Weibel bezeichnete ihn als „living sculpture“. Legenden ranken sich um sein Leben. Bezeichnend, dass auch unterschiedliche Geburtsjahre und Geburtsorte von ihm kursieren.

Nach der Ausstellung im MAK 2007/2008 «Künstler im Fokus #3 Padhi Frieberger. Ohne Künstler keine Kunst» wurde sein Werk im Forum Frohner nun zum zweiten Mal einer größeren Öffentlichkeit vorgestellt. Wegen Kommunikationsproblemen der Administration besichtigte die ViennAvant-Gruppe die Ausstellung ohne Kuratorenführung.

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Die Fülle der Arbeiten – aus den Jahren 1945 – 1979, sehr viele allerdings nicht datiert – wurde von Statements des Künstlers an den Wänden begleitet:

“Ich habe meine Kunst nicht nur gemacht. Ich habe sie gelebt. Ich fühle mich als Künstler – sogar als der Künstler. Mein Künstlertum ist für mich wesentlich. Es ist auch wichtiger, Künstler zu sein als zu malen.“

“Ich fühle mich mehr als Protagonist. Die Bezeichnung „Einzelgänger gibt es nun einmal, aber in Österreich ist das mehr so im Sinne von „Original“, bei uns kommt das gleich nach Stotterer und Spinner. Bei uns ist jemand ein Außenseiter, der anderswo das Authentische ist. Ich sage dazu „Protagonist“, ich muss das Wort wählen, das zutrifft. Wenn jemand ein Spießer ist, muss ich sagen Spießer, ob es ihm recht ist oder nicht.“

“Die Spitzenkünstler sind ja, solange sie sich nicht durchgesetzt haben, Narren, die am Leben vorbeigehen. Aber das stimmt nicht. Gerade sie sind die Bedeutenden, die etwas bewegen, die Weltkünstler.“

“Ich habe keine Prinzipien, aber Grundsätze, und die verlasse ich nicht.“

Im Archiv der Zeitgenossen, Krems

Ein Highlight war die zweite Station dieses Archivausflugs nach Krems: das “Archiv der Zeitgenossen” am Campus der Donau Universität Krems. Auf der sonnigen Café-Terrasse des Kinos Kesselhaus begrüßte die Leiterin Christine Grond mit ihrem Team – Katrin Kröger und Sabine Töfferl – die ViennAvant-Gruppe.

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Das Archiv der Zeitgenossen am Campus der Donau-Universität Krems ist ein Landesbetrieb. Das Land Niederösterreich hat die Vorlässe des Komponisten Friedrich Cerha und des Schriftstellers Peter Turrini als Basis für ein neuzugründendes Archiv angekauft. Dieses wurde von Architekt Adolf Krischanitz in eine unterirdische Halle eingebaut, die seit dem Campus-Neubau vorhanden war. Es ist ein Kubus mit vier gleich großen, aus unterschiedlichen Holzarten gefertigten Räumen – Kirsch (Cerha), Birke (Turrini). Die beiden Räume aus Eiche und Nuss sind noch leer.

Wer in diese beiden leeren Räume einziehen wird ist noch unklar. Entsprechend dem repräsentativen Charakter des Archivs muss es ein großer Bestand sein, ein Bestand natürlich, der noch zu haben ist und nicht zu teuer. Er muss von Cerha und Turrini akzeptiert sein, die ein Mitspracherecht haben. Und ein NÖ-Bezug muß gegeben sein wie bei Cerha – er wohnt in Maria Langegg – und bei Turrini – er wohnt im Weinviertel.

Forschung und Veranstaltungen

2010 wurde das Archiv der Zeitgenossen eröffnet. Das Archivmaterial wurde gepackt und wird gegenwärtig katalogisiert. Sabine Töfferl ist verantwortlich für das Cerha-Archiv, in das auch die Bestände der „reihe“ kommen werden. Das Archiv ist primär eine wissenschaftliche Einrichtung, die der Arbeit an den Beständen gewidmet ist. Es ist Mitglied des Bibliothekenverbunds, einem Katalogisierungs- und Dienstleistungsverbund, in dem derzeit ca. 80 vorwiegend wissenschaftliche Bibliotheken zusammenarbeiten.

Symposien werden als Kooperationsprojekte mit Campus Kultur realisiert. Aus Anlass des 85. Geburtstages von Friedrich Cerha richtete das Archiv der Zeitgenossen eine Ausstellung und ein Symposium Mechanismen der Macht – Friedrich Cerha und sein musikdramatisches Werk aus. Für den 70. Geburtstag von Peter Turrini 2014 sind ebenfalls Veranstaltungen geplant.

Weiters stehen Lesungen und Theatergastspiele am Programm. Kooperationen gibt es auch mit dem „Kino im Kesselhaus“ am Campus: Die Reihe “Grundbücher der österreichischen Literatur seit 1945” der Alten Schmiede Wien und dem Adalbert-Stifter-Institut Linz gastierte am 17. Jänner 2012 hier mit einem Lese-, Vortrags- und Diskussionsabend zur “Alpensaga” mit Wilhelm Pevny, Ulf Birbaumer und Klaus Kastberger. Die TV-Serie Alpensaga Wilhelm Pevny und Peter Turrini entstand in den Jahren 1976–80 und gilt als Meilenstein der ORF-Produktionen. Die Original-Typoskripte und andere Dokumente dieser literarischen Fernseharbeit lagern ebenfalls im „Archiv der Zeitgenossen“.

Kosten von Beständen

Eine Frage der ViennAvant-Gruppe gilt der Preisgestaltung von Vorlässen. Bestände würden bewertet. 400.000 € habe der Vorlaß Turrini gekostet und dazu kamen noch 75.000 € für das gemeinschaftliche Archiv der Alpensaga von Turrini – Pevny. Der Preis des Cerha-Vorlasses lag in ähnlicher Größenordnung. Es zahlten nur die Bundesländer so viel, nicht der Bund. NÖ habe eines der größten Kulturbudgets. In Deutschland werde weniger bezahlt.

„Am Denkmal basteln“

Helga Köcher spricht das Problem an, dass durch Institutionen wie ein solches großartiges Archiv das Schaffen eines bestimmten Protagonisten einer Epoche aus allen anderen herausgehoben werde. Christine Grond stimmt diesen Bedenken zu und hat aber vor, dieser Gefahr durch kontextualisierte Forschungsprojekten zu begegnen. Sobald das Material der “reihe” da ist, könne stärker in diese Richtung gearbeitet werden.

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Gegenwärtig ist ein Onlinewerkverzeichnis von Cerha und seinem Kontext als DACH-Forschungsprojekt geplant, gemeinsam mit Prof. Matthias Henke von der Musikuniversität Wien, der auch in Siegen, der deutschen Partneruniversität dieses Projekts, lehrt, und dem Department für Bildungstechnologie der Donau Uni Krems, die gegenwärtig ein Vermittlungskonzept entwickelt. Es ist gleichzeitig ein Forschungsprojekt darüber, wie die Datenbank für verschiedene UserInnen nutzbar gemacht werden kann -mit unterschiedlichen Portalen für die verschiedenen Nutzer – WissenschaftlerInnen, Schulen usw…. Wenn dieses Konzept stehe, könne überlegt werden, welche Software in Frage kommt.

Interdisziplinarität

“Ist Interdisziplinarität ein Thema im Archiv der Zeitgenossen?” Christine Grond bejaht die Frage. Das ergebe sich schon aus den beiden Sparten der bisherigen Bestände. Eine Wissenschaftlerin aus Siegen arbeite hier gegenwärtig an einer Dissertation über den Der Riese vom Steinfeld. Cerha und Turrini haben einander bei der Arbeit an diesem Auftragswerk für die Wiener Staatsoper kennen gelernt.

Fotos © Archiv der Zeitgenossen
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Es folgte die Führung durch das Archiv und die sehr schönen Räume. Die Dokumente sind umfangreich, die Aufführungsgeschichte ist sehr gut belegt. Auch Teile der Ausstellung zum Symposium Cerha konnten noch besichtigt werden.

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Vermittlung

Für die Lange Nacht der Forschung am 27.04.2012 wird von den Kuratorinnen eine Präsentation unter dem Motto „Wie funktioniert geisteswissenschaftliche Forschung?“ für Schülerinnen vorbereitet, die den jungen Leuten die Bedeutung und Funktion eines Archivs nahebringen soll. An diesem Abend wird auch das Ernst-Krenek-Institut zu Gast im Archiv der Zeitgenossen sein, eine Privatstiftung, die gegenüber im Altgebäude der Donau-Universität situiert ist.

Im MAK

Donnerstag, 23. Februar 2012 fanden sich sechs Kunstwissenschaftlerinnen, eine Germanistin , eine Theaterwissenschaftlerin und ein Musikwissenschaftler zu einem ViennAvant-Archivgespräch in der Ausstellung Walter Pichler. Skulpturen Modelle Zeichungen im MAK ein. Die Kuratorin Bärbel Vischer führte die Gruppe.

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Die Führung

Die Ausstellung zeigte Walter Pichlers Kontinuität: Im Mittelpunkt der vom Künstler selbst entwickelten Zusammenschau stand seine figurative Plastik aus den 1970er Jahren bis heute, ergänzt durch Modelle und Zeichnungen als Ausgangspunkt seiner Arbeiten.

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Die Ästhetik seiner kultischen Figuren hat sich in all diesen Jahrzehnten nicht verändert. Pichler arbeitet sehr langsam, oft viele Jahre an einer Skulptur oder einem Thema, wie etwa in der Werkgruppe von Skulpturenbetten (1971–2011), die eindrucksvoll in der Ausstellung präsentiert ist. Für diese Serie „Krankheit – Tod“ hat er ein aus 1970 stammendes Bett aus dem AKH verwendet.

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Foto rechts: Eine Schlüsselarbeiten: das „Porträt Walter Pichler“ von Dieter Roth als Doppelfigur

Tod und Trauma sind immer wieder Themen für Pichler, betonte Vischer. In Meran habe er eine Ausstellung zum Thema Euthanasie gestaltet, in der er bewegliche Figur positioniert habe. Die Schau habe sich auf die Zeit des Nationalsozialismus bezogen, in der in Hall in Tirol eine Anstalt war. Er habe einen subtilen Zugang zum Thema gefunden und die Ausstellung „Für meine Mutter“ gewidmet.

Seine frühen innovativen plastischen Arbeiten dagegen hat er schon lange nicht gezeigt. Die bahnbrechenden in der Reflexion der gesellschaftlichen Veränderungen und politischen Ereignisse der 1960er Jahre entstandenen „Prototypen“ waren Applikationen mit dem Impetus, den Körper als architekturalen Raum zu erweitern. Man könnte diese Arbeiten als Vorläufer der Pass-Stücke von Franz West sehen. Pichler verwendete damals neue Materialien wie Kunststoffe oder Aluminium sowie pneumatische Elemente. Diese späteren medialen Entwicklungen vorgreifende Werkphase mit TV Helmet (1967) oder Galaxy Chair (1966) ist für ihn abgeschlossen.

Weiterhin beschäftigt ihn jedoch das Spannungsverhältnis von Skulptur und Architektur. In Aldrans in Tirol hat er einen unterirdischen Ausstellungsraum geplant für einen privaten Sammler, der demnächst eröffnet wird.

Die Materialien der in der MAK-Ausstellung präsentierten Werke sind archaisch – Lehm, Stein Knochen, Holz, Metall. Er bearbeitet sie subtil.

Pichler verkauft keine Skulpturen, nur Zeichnungen. Alle Figuren stammen aus seinem Wohnort St. Martin. 1972 hat er dort ein altes Gehöft gekauft und das Ambiente zu einem Gesamtkunstwerk gestaltet.

Zum Lebenslauf Walter Pichler

Das Gespräch

Das Gespräch im Kaminzimmer kreiste um die Frage der Rolle Walter Pichlers in den Nachkriegsavantgarden. Bärbel Vischer betonte Pichlers Position als Ausnahmekünstler. Er habe nie konkrete Arbeiten mit Künstlerkollegen realisiert, obwohl er mit Kippenberger und Kocherscheidt, die in der Nähe wohnten befreundet war. Vischer sieht eher Verbindung zu Joseph Beuys. Pichler sei auch Initiator der Joseph Beuys-Ausstellung in der Galerie St. Stephan gewesen. 1996 kam ein von der deutschen Bank editierter Band mit Zeichnungen von Walter Pichler und Joseph Beuys und einem Text von Beuys heraus.

Vischer belegte den Bezug Pichlers zum Historischen. Er hatte Vorbilder in der Avantgarde. In Paris hat er Brancusi kennen gelernt und war fasziniert von der Verbindung Architektur und Skulptur. Wichtig war auch für ihn Friedrich Kiesler, den er in NY traf. Delegiert habe Pichler nichts, was untypisch war für den damaligen Kunstmarkt. Er sei nicht beeinflusst worden, sondern habe beeinflusst. Z.B. sei das von Raimund Abraham entworfene Austrian Cultural Forum in NYC die architektonische Ausarbeitung einer Skulptur Walter Pichlers.

Seine Figuren wirken sakral. Sie erinnern an Mumien, wie einer aus der Gruppe feststellte. Auch seine unterirdische Architektur vermittle einen Ägypten-Bezug. Vischer dazu: Pichler trägt seine Skulpturen und lässt sich damit fotografieren. Der jeweilige Raum für die Skulpturen wird inszeniert. Er muss eine ganz bestimmte Gestaltung haben und die Fenster eine ganz bestimmte Lichtführung. In einem Fall sei es ihm wichtig gewesen, die Regenrinne durch den Raum zu führen, hat Tröge angebracht, einen innen und einen außen. Es gibt Häuser, die offen sein und geschlossen werden können. Fast immer baut er sie nach Fertigstellung einer Skulptur, an der er bis zu 10 Jahre arbeitet. Nur einen Turmbau gibt es, den er vor der Skulptur fertig gestellt hat. Pichler habe aber nie eine Kirche gebaut, habe dahingehende Aufträge immer verweigert.

Einen Bezug zu Hermann Nitsch und seinem rituellen Verständnis verneinte Kuratorin Vischer jedoch. Pichler habe sich ein eigenes Kunstsystem geschaffen. Auf die Frage nach seiner Entwicklung berichtete sie, dass Pichler geäußert habe, es sei gut, dass sich seine Skulpturen in den Jahrzehnten kaum verändert haben. Dadurch erreiche er natürlich auch eine bestimmte Exklusivität, fand eine Teilnehmerin.

Helga Köcher stellte den Text von Walter Pichlers Architekturmanifests aus 1962 zur Diskussion und problematisierte dessen elitär-dominante Sprache.
Andrea Hubin vertrat die These, die Bauhausarchitektur sei von Ex-Nazis wieder aufgenommen wurden und als „menschliche Architektur“ promotet worden. Federführend im Diskurs der „guten Form“ sei damals die Kulturzeitschrift Magnum gewesen mit ganzseitiger Live Fotografie. Der Herausgeber sei der aus der Nazizeit belastete Karl Pawek gewesen. Dagegen habe sich dieses Manifest gewendet. Hollein und Pichler hätten sich dagegen mehr an der frz. Revolutionsarchitektur von Le Doux, Boullée und Lequeu orientiert.

Hier gibt es zweifellos noch großen Diskussionsbedarf darüber, wie die damaligen Positionen und Diskurse zu bewerten sind. Denn die Zeitschrift Magnum war andererseits ein Medium, in der wichtige kritische Geister der Nachkriegszeit wie Jean Améry, Walter Benjamin, Heinrich Böll, François Bondy, Jürgen Habermas, Siegfried Lenz, Max Bill publiziert haben, ebenso Mitglieder der Wiener Gruppe H.C. Artmann, Friedrich Achleitner und Gerhard Rühm. Das Netzwerk ViennAvant bietet sich als Plattform weiterführender Recherchen und Diskussionen an.

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Kunsthistorikerin Katharina Jesberger fiel auf, dass im Katalog das Abschlussdatum des Studiums von Walter Pichler an der Angewandten mit 1955 angegeben steht. Inzwischen hat die Recherche der Kunsthistorikerin Mizzi Schnyder ergeben, dass es sich dabei um einen aus Wikipedia übertragenen Fehler handelt. Auf der Website der Sammlung Generali Foundation steht offenbar richtig: „1955 bis 1959 absolvierte er ein Grafikstudium an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien.“

Wie geht es weiter im MAK?

Es wird eine Neugestaltung im November geben.
Drei Ausstellungen sind geplant: Eine mit dem Schwerpunkt Wiener Werkstätte wird Heimo Zobernig gestalten, eine weitere zu Architektur Manfred Wakolbinger und schließlich eine zum Thema „Wien um 1900“ (1880 – 1930) ein Künstler, der noch nicht genannt wird und gleichzeitig auch eine Einzelausstellung haben wird.

Die Wiener Moderne ist Schwerpunkt des MAK. Weiterhin wird es natürlich Einzelausstellungen im MAK geben. Zunächst Klimt, dann Design mit Gegenwartskunst. Die Design-Sammlung des MAK ist zwar klein und die Objekte sind zum Teil in anderen Sammlungen, etwa der Möbelsammlung integriert. Zukunftsweisend ist jedoch der 1990 gegründeten Design-Info-Pool (DIP) – die größte öffentlich zugängliche bebilderte Datenbank zu österreichischem Design. Der Designbegriff spannt sich von industrieller Produktion über handwerkliche Fertigung bis hin zum künstlerischen Einzelstück; vom Gebrauchsgegenstand über Mode, Grafik- und Mediengestaltung bis hin zu Grenzbereichen in Architektur und bildender Kunst.

Der Kustode für Design Thomas Geisler plant eine Ausstellung „Design for you“, die soziale und ökologische Aspekte einbezieht und die Brücke zur Wirtschaft visualisiert. Für Architektur ist als Kustodin Bärbel Vischer zusammen mit Gegenwartskunst zuständig.

Im Leopoldmuseum

Am Freitag, 27. Jänner 2012 tauchte eine kleine Gruppe von Kunsthistorikerinnen, Theaterwissenschaftlerinnen und Germanistinnen wieder tief in die Welt des Aktionismus ein. Ein Besuch der Ausstellungen Melancholie und Provokation und Hermann Nitsch – Strukturen architekturzeichnungen, partituren und realisationen des o.m. theaters im Leopoldmuseum stand am Programm.

Der Kurator des Schwarzkogler-Raums in der Ausstellung “Melancholie und Provokation” Aktionismusexperte Hubert Klocker bot der Gruppe eine genz spezielle Führung. Nicht nur die Persönlichkeit und die Entwicklung des Künstlers Rudolf Schwarzkogler brachte Klocker nahe. Er gab auch Einblicke in Fragen der Gestaltung eines Ausstellungsraums und der Wirkung kuratorischer Inszenierung.

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Klocker hat sich in dieser Schau nur auf die 3. Schwarzkogler-Aktion konzentriert und sie mit einer Auswahl von Schiele-Arbeiten einer Selbstbespiegelung des männlichen Körpers konfrontiert. Er wollte ausprobieren: Wie klassisch kann man Schwarzkogler im Museum präsentieren? Wie funktioniert das Foto? Was kann man mit dem Kanon der Körperinszenierung erreichen? Seine Idee für diesen Raum war es, Rudolf Schwarzkogler „ins Gespräch“ mit Egon Schiele zu setzen – zwei Männer der Kunst des 20. Jhdts, die im gleichen Alter, mit 28 Jahren tragisch verstorben sind, Schiele an der Spanischen Grippe, Schwarzkogler an einem vermuteten Selbstmord.

Zur Biografie Rudolf Schwarzkogler

Schwarzkogler begann mit Malerei und Objekten (ca. 10 Stück), in seiner Strenge zerstörte aber viel. Er war kein „abstrakter Expressionist“ wie die anderen, er kam nicht von Pollock, nicht vom Informel, sondern orientierte sich eher an Yves Klein, war kühler, distanzierter.

Nachdem er sich an Aktionen von Otto Muehl und Hermann Nitsch beteiligt hatte, führte zwischen 1965 und 1966 sechs eigene Aktionen aus – im Unterschied zu anderen Aktionisten unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Nur Freunde und Fotografen durften anwesend sein.

Die Aktionisten haben die Kamera als Instrument zur Überprüfung eingesetzt. Das Bild gab ihnen die Möglichkeit der Reflexion, die in der Aktion selbst nicht möglich war. Bei Schwarzkogler ist die Fotografie medienreflexiv im Sinn von medienanalytisch. Es ging ihm um das Schaffen von suggestiven Bilddeutungen. Zumeist hat er mit Heinz Cibulka als „Modell“ gearbeitet. Bei der letzten, von Michael Epp fotografierten Aktion hat er sich, mit Binden entpersonalisiert, selbst in den Raum begeben und versucht den Prozess zu erleben.

„Hat er sich an Philosophen, Theoretikern orientiert?“ – „Nein, damals gab es nicht diesen theoretischen Diskurs.“

Schwarzkogler hat innerhalb eines Jahres das Thema Aktion abgeschlossen. Danach arbeitet er ausschließlich an Ideen für Rauminstallationen und Erlebnisräume. Er geriet in eine psychotische Situation. Texte erzählen von halluzinatorischen Erlebnissen. Er beschäftigt sich mit Selbstreinigung – ein Thema, das alle Aktionisten mehr oder minder bewegte. Das Bedürfnis, zu einer neuen Bestimmung des Körpers zu kommen, hing mit der politischen Situation zusammen und der Aufarbeitung des Kriegs und seiner Folgen. Schwarzkoglers Vater war Arzt und hatte sich nach einer schweren Kriegsverletzung das Leben genommen. Mühl war im Krieg. Schwarzkogler verwendete medizinisches Gerät bei seinen Aktionen. Sie sind von einer metallischen Kälte.

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Der Wunsch nach Selbstheilung verdichtete sich bei Schwarzkogler. Hermann Nitsch war zu der Zeit in München und wollte Schwarzkogler nach München holen um ihm eine Analyse zu vermitteln. Denn in Wien war die Psychiatrie damals etwas massiv Gewaltsames.
Heinz Schlögelhofer, ein gemeinsamer Freund von Nitsch und Schwarzkogler, der auch gemalt hatte, aber später alles zerstört, war 1962 – 64 in psychiatrischer Behandlung und wurde mit Elektroschocks fertig gemacht. Das wollte man Schwarzkogler nicht antun.

Sein Sturz aus dem 4. Stock 1969 gab Anlass zur Legendenbildung.

Zu Lebzeiten hatte Schwarzkogler nie eine Ausstellung. Erst 1972 wurden von ihm posthum “Texte, Skizzen und Fotos zu Aktionen, 1965 – 1969” auf der Documenta 5 in Kassel gezeigt.

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Eine besondere Note bekam das Archivgespräch durch die Fachdialoge zwischen Hubert Klocker und Johanna Schwanberg, die in der Folge durch den von Anni Brus, der Frau des Künstlers gestalteten Brus-Raum führte.

Viele sehr spezielle Aspekte der Aktionen und der Aktionismusfotografie kamen zur Sprache.

Welche Rolle spielten die Fotografen? Wie groß war ihr Gestaltungsspielraum bei der Entwicklung der Filme? Gab es spezielle Bildwinkel? Was waren die Motive der Fotografen? – Im Wesentlichen gab es die beiden Fotografen Ludwig Hoffenreich und Khasaq (Siegfried Klein). Khasaq hat die Mühl-Aktionen extrem ästhetisch fotografiert, eine Aktion von Mühl hat auch Franz Hubmann aufgenommen, ebenfalls stark ästhetisiert. Hoffenreich dagegen, der von Mühl motiviert wurde, für Aktionen zu fotografieren, war Pressefotograf und hatte keine künstlerische Ambition. Er hat sich immer neutral positioniert, kam im weißen Mantel und in Gummistiefeln. Es gibt ein Interview mit Hoffenreich und Francesco Conz. Hoffenreich spricht in einem gewähltes Hietzinger Idiom über die Aktionen “Eigentlich ist es ja nicht meine Sache. Meine Frau und ich gehen gern in den Musikverein. Aber ich muss schon sagen, was diese jungen Leute machen. das ist sehr interessant.”

Alle Fotos sind im Originalformat 6×6. Die Fotografen haben den Künstlern, die ja kein Geld hatten, die Filme finanziert und nur die Kontaktabzüge gegeben. Nach Tod von Schwarzkogler waren Brus, Nitsch und seine Lebensgefährtin Edith Adam Nachlassverwalter. Erste Abzüge wurden für Ausstellung in der Galerie St. Stephan gemacht. Günter Brus hat dann in Berlin Francesco Conz getroffen, der sich für den Aktionismus begeisterte und zu einem großen Förderer wurde und von Brus zum Aufbau eines Fotoarchivs motiviert wurde. Start war 1972 mit Schwarzkogler in einer ersten Auflage im Kleinformat. Es gibt etwa 500 Sujets. Nach documenta hat Krinzinger mit Edith Adam begonnen zu arbeiten.

Der Brus-Raum in der Ausstellung wurde von der Frau des Künstlers, Anni Brus gehängt und fokusiert auf das Verhältnis männlicher / weiblicher Körper.

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Zur Biografie Günter Brus

Günter Brus machte in Graz an der Kunstgewerbeschule eine Ausbildung zum Werbegrafiker und erwarb sich den souveränen Umgang mit Text und Bild. Danach ging er zum Studium der Malerei nach Wien an die Akademie der Bildenden Künste, wo er Alfons Schilling kennen lernte. Beeindruckt vom Expressionismus arbeitete er informell und radikal gestisch.

1963 Arbeit am “Labyrinthischen Raum”. Mit der Lösung von der Figur begann er mit der Arbeit am Körper
1964 führt Brus seine erste Aktion „Ana“ in Wohnung von Otto Mühl durch. Kurt Kren filmte, Khasaq und Otto Mühl fotografierten.

Zu einem Text von Günter Brus über diese erste Aktion

Von Beginn an war es für ihn wesentlich, den eigenen Körper ins Zentrum der Aktion zu stellen. Er löste sich vollständig von der informellen Malerei und führte zahlreiche Aktionen durch.

Zum Text von Johanna Schwanberg AKTEURINNEN IM AKTIONISMUS

In der Arbeit mit seiner Frau Anni spürt er dem Genderverhältnis nach, versucht, den weiblichen Körper als das Ruhende Weiche freizulegen. Blickt auf den eigenen Körper, die feminine Seite. Wie fühlt es sich an in einem weiblichen Körper, mit Strapsen?

1966 gründet Brus mit Kren, Muehl, Nitsch und Weibel das Institut für direkte Kunst und entwarf mit Muehl die Idee der Totalaktion als Verbindung der Materialaktion Muehls und der Brus´schen Selbstverstümmelungen. Eine erste Probe zeigten sie am Destruction in Art Symposium in London.

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1966 entstand auch die Aktion „Vitriol-Kabinett“. Nun, 2012, hat Brus diese Serie erstmals im Museumskontext gezeigt.

Brus schreibt dazu:
“Geplant hatte ich ein ,Leibbild’, sozusagen ein Gemälde nach alter Weise, aber mit einem „direkten Modell“. Anni war im 4. Monat schwanger, willigte aber dennoch einer Mitarbeit ein. … Ich fertigte für diese Aktion eine Menge von Skizzen, die vermutlich zum größten Teil verschollen sind. Diese Aktion hatte ich zur Zeit ihrer Entstehung nicht betitelt. Nachträglich nenne ich sie „Das Vitriolkabinett“, der ästhetischen Absicht von damals entsprechend.“
Mitten in die Aktion, die in der Brus’schen Vorstellung Grün und Pink enthalten sollte, platze ein Haufen lärmender, feiernder Künstlerfreunde und störte die Arbeit.

1967 setzte er sich mit dem Thema der Geburt auseinander und integrierte in seine 23. Aktion seine kleine Tochter Diana. Die Arbeiten von Brus gingen weiter in Richtung totaler Körperanalyse. 1970 brach er die Aktionskunst ab.

Bei Günter Brus ist noch viel stärker als Schwarzkogler die Linie zu Schiele zu verfolgen: in der Dehnung des männlichen Körpers, im nervösen Strich.
Parallelen zwischen Schiele und Brus sind auch ihre Konflikte mit der Justiz – Gefängnis bei Schiele, bei Brus nach dem Uni Skandal die Flucht ins Exil.

Nach dem Aktionismus folgt bei Brus eine lange gegenständliche Periode.
Er stellt Bäume dar – auch hier ein Bezug zu Schiele.
Wo hört die Avantgarde auf? Brus ist Pionier im Erkennen des Scheiterns am Avantgardebegriff. Auch dieser Weg fand schließlich Anerkennung.

Abschließend gab Hubert Klocker einen Ausblick auf das neue Aktionismus-Buch, das er demnächst mit Eva Badura-Triska in einer deutschen und einer englischen Fassung bei König herausbringen wird.

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Reflexionsgespräche in kleiner Gruppe und eine kurze Besichtigung der Ausstellung Hermann Nitsch beendeten den intensiven Nachmittag.

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Im Unteren Belvedere

Das Archivgespräch am 13. Jänner 2012 in der Orangerie des Unteren Belvedere brachte die Begegnung mit einem sehr interessanten und in der Rezeption viel zu wenig beachteten Künstler der Nachkriegszeit. 6 Kunstwissenschaftlerinnen, eine Theaterwissenschaftlerin und eine Germanistin hatten sich zur Führung mit dem Kurator Harald Krejci durch die Ausstellung Curt Stenvert. Neodadapop eingefunden.

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Harald Krejci hatte die Ausstellung als umfassende analytische Aufarbeitung von komplexen Systemen konzipiert. Dahinter stand die Idee, das Laboratorium, die Experimentierstelle des Curt Stenvert darzustellen in Wechselwirkung zwischen dem Bildenden Künstler und dem Filmer. Bisher waren diese Seiten nur getrennt gezeigt worden und damit war die Methode auf der Strecke geblieben. In dieser Kontextualisierung jedoch, in der die Objekte miteinander agierten, eröffnete die programmatische Ausstellung wesentliche Einblicke in die Epoche der 60er- und 70er-Jahre.

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Curt Stenvert studierte an der Akademie der bildenden Künste Wien bei Albert Paris Gütersloh Malerei, aber auch kurz Bildhauerei bei Fritz Wotruba sowie Theater- und Filmwissenschaften. Er war Gründungsmitglied des Art Clubs und zunächst vom Surrealismus beeinflusst und mit Ernst Fuchs und anderen Protagonisten der „Wiener Schule des Phantastischen Realismus“ befreundet. Ab 1946 interessierten ihn vor allem die Darstellungsmöglichkeiten von Bewegung. Inspiriert von der Phasenfotografie entstanden 1947 die ersten großen Bewegungsbilder, in denen Stenvert Elemente des Futurismus, Konstruktivismus und Kubismus miteinander verband. Schlüsselwerk ist der „Violinspieler in 4 Bewegungsphasen“ – die erste konstruktivistische Plexiglas-Skulptur nach dem 2. Weltkrieg, die in Basel prominent zusammen mit Werken von Calder und Picasso ausgestellt war. Leider ist sie nicht mehr erhalten.

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Die Auseinandersetzung mit dem Thema Bewegung führte Stenvert in den 1950er Jahren zu eigenem filmischem Schaffen. Ein Förderer von Stenvert war der damalige Kulturstadtrat Viktor Matejka. Durch ihn bekam er ein Volontariat als Cutter bei der Wien Film und wurde mit den szenischen Aufbauten im Film Eins, zwei, drei – aus! mit Hans Moser beauftragt, in dem die Plexiglas-Skulptur „Violinspieler in 4 Bewegungsphasen“ zu sehen war. Von Matejka bekam Stenvert auch Aufträge zu didaktischen Lehrfilmen für Schulen.

1951 realisierte er gemeinsam mit Wolfgang Kudrnofsky den ersten österreichischen Avantgardefilm der Nachkriegszeit “Der Rabe” nach E. A. Poe. Stenverts erster abendfüllender Spielfilm Wienerinnen im Schatten der Großstadt (1951–52) ist eine Sozialstudie über das Leben der Wiener Ziegelarbeiter, „Strizzis“ und Prostituierten. Der vom Neoverismo beeinflusste Kriminalfilm “Flucht ins Schilf” (1953) wurde binnen eines Jahres in 14 Ländern verkauft. Es gab damals in Österreich kein Kapital für Film. Filme wurden auf Kredit gedreht und mussten Geld einspielen.

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Begleitend zur Ausstellung wurde in Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Filmarchiv eine Retrospektive der wichtigsten Filme Curt Stenverts programmiert. Einige Filme waren aber auch in der Ausstellung zu sehen – der legendäre „Rabe“, der Streifen „Gigant und Mädchen“ aus 1955, in dem eine behinderte Telefonistin als Protagonistin mit einer Tänzerin in Überblendungen, Verzerrungen, Doppelbelichtungen oszilliert, und Stenverts letzter, 1962 mit dem Silbernen Bären der XII. Internationalen Filmfestspiele Berlin ausgezeichnete Film „Venedig“.

Curt Stenvert, “Wissenschaftlicher Selbstversuch”, 1962


  1962 begann sich Curt Stenvert der Objektkunst zu widmen. Die von ihm als „Menschliche Situationen“ bezeichneten Bildkästen dokumentieren seine Auseinandersetzung mit Themen der Gegenwart wie Konsumverhalten, Politik, Technik, sowie zu den überzeitlichen Grundbedingungen des menschlichen Seins, die er in Vitrinen wie auf einer kleinen Bühne inszenierte.

Er arbeitete zunächst mit Alltagsgegenständen, verarbeitete Abfall- und Flohmarktfunde oder kreierte vertraute Objekte, die er für seine Installationen in ungewohnte Kontexte stellte. Sein Ziel war es zu verfremden, zu ironisieren und den Betrachter zu neuen Sichtweisen und Erkenntnissen anzuregen.

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Zeitgemäß interpretierte Stenvert Kunst als soziales Medium und gab mit Arbeiten wie „Vanitas“, „Die wahre Humanität lieg im Bereithalten von Ersatzteilen“, „Welt nach dem atomaren Erstschlag“. “Wozu Geburtenkontrolle? Bereitet den Krieg vor!“, “Mensch sein müsssen Schiffbruch im All”, “Weg mit dem nicht stinkenden Geld”, „Kupferne Beute“ oder “Stahlblumen“ den Studentenunruhen, den Bürgerprotesten und dem Antikriegsaktivismus eine eigene Sprache, die der „Existenzerhellung über das Auge“ dienen sollte.

Frau und Technik ist ein Thema von ihm. Er steigt in die Feminismusdebatte der 60er-Jahre ein. „Der Frau wurde sehr viel Unrecht angetan“ Eine ganze Reihe von Objekten setzen sich mit der Rolle der Frau in der Gesellschaft auseinander. „Lesbia contra Motor“ „Die Pariserin“ „Die 25. menschliche Situation. Statt einer Frau einen Milchwagen im Bett vorfinden“

Marcel Duchamp, „Boite-en-valise”

Curt Stenvert - NEODADAPOP (03.10.2011))

In der Gegenüberstellung mit Werken von Marcel Duchamp, Richard Lindner, Wolf Vostell, Daniel Spoerri und Arman werden Stenverts Bezüge zu Neosurrealismus, Pop-Art, Neodada, Fluxus und Nouveau Réalisme aufgezeigt.

Als Vertreter Österreichs auf der XXXIII. Kunst-Biennale Venedig 1966 formulierte Stenvert sein Credo „Ich lebe für die funktionelle Kunst!“ Kunst sei nicht Selbstzweck sondern habe als Erkenntnis-, Kraft- und Energiequelle einen Nutzen für die Gesellschaft zu erbringen. Es ging ihm darum etwas zu bewirken. Er vertraute nicht dem Material, der Form, sondern sehr stark den Inhalten.

1967 vollendete Stenvert in Aufarbeitung seiner Kriegserlebnisse das aus drei Vitrinen bestehende Objekt Stalingrad – die Rentabilitätsrechnung eines Tyrannenmordes. Die überdimensionale Installation wurde 1967/68 im Musée d’art moderne de la Ville de Paris und im Musée National d’Art Moderne Paris gezeigt und war ein Anstoß für Historiker in Frankreich zur Aufarbeitung der Geschichte.

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Für die Weltausstellung in Montréal, die Expo 67 kreierte Stenvert eine sieben Meter hohe und zwölf Tonnen schwere Plastik, über die sich Informationen in acht verschiedenen Sprachen abrufen ließen – die erste windbewegte Stahlplastik.

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Zu Beginn der 1970er Jahre begann Stenvert wieder verstärkt zu malen. 1971 entstand das Manifest zur Bio-Kybernetischen Malerei, worin er das Konzept der Funktionellen Kunst und der „lebenslogischen Humanitas“ weiterentwickelte. Um die Wirkung seiner Bewegungsbilder zu steigern, setzte Stenvert ab den 1970er Jahre auf eine dekorative Flächigkeit in der Darstellung, die er mit einer breiten, leuchtenden Farbpalette und Goldgründen verband.

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Stenvert übersiedelte schließlich zunächst nach Mannheim und dann nach Köln, lehrte an den Kunsthochschulen von Kassel und Karlsruhe. In Österreich war er aber nachdem er sich nie einem Lager zurechnete, sondern die Zwischenräume besetzte, durch Grabenkämpfe eher an den Rand gedrängt.