Dienstag, 2. Oktober 2012, 18:30 Uhr
Österr. Akademie der Wissenschaften
Theatersaal
Sonnenfelsgasse 19/1. Stock
1010 Wien
• Präsentation der Publikation « Teststrecke Kunst. Wiener Avantgarden nach 1945 » durch die Herausgeberinnen Elisabeth Großegger und Sabine Müller
• « Diskursraum Avantgarde » Diskussion mit Nina Polaschegg, Anna Spohn, Gisela Steinlechner und den Herausgeberinnen. Moderation: Klaus Kastberger
• Musikalischer Rahmen: Anestis Logothetis, Agglomeration 1960 Interpretation und Projektion der graphischen Partitur:
Alexander J. Eberhard
• Büchertisch
Informationen zur Publikation:
Sonderzahl-Verlag www.sonderzahl.at 2012 Wien
ISBN 978 3 85449 368 6
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Der Abend „Diskursraum Avantgarde“ am 2. Oktober 2012 im Theatersaal der Österreichischen Akademie der Wissenschaften beleuchtete viele Facetten der Wiener Avantgarden. In seiner Eröffnungsansprache betonte der Direktor des Instituts für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte der OeAW Michael Rössner die Bedeutung der Aufarbeitung der Wiener Avantgarden für das kulturelle Gedächtnis und die Besonderheit ihrer interdisziplinären Verfasstheit.
Die beiden Herausgeberinnen Elisabeth Großegger und Sabine Müller präsentierten den im Sonderzahl Verlag erschienenen Band „Teststrecke Kunst. Wiener Avantgarden nach 1945“, der – um zusätzliche Beiträge erweitert und ergänzt – das gleichnamige interdisziplinäre Symposium reflektiert, das in Kooperation von ViennAvant – Verein zur Erforschung der Wiener Avantgarden mit dem IKT – Institut für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte (ÖAW) im Oktober 2009 stattfand.
Auf dieser Basis setzte die Diskussion „Diskursraum Avantgarde“ an. Mit Anna Spohn aus Kunst- und Kulturgeschichte, Gisela Steinlechner aus Literaturwissenschaft und Nina Polaschegg aus dem Musikbereich waren Forscherinnen aus drei Disziplinen eingeladen worden, die nicht Beiträgerinnen zur Publikation gewesen waren, um den Blick von außen hereinzuholen. Und in dieser Reflexion fielen zunächst unterschiedliche Meinungen zum gleichen Thema auf, aber auch gleiche Meinung zu unterschiedlichen Punkten.
Gisela Steinlechner beschäftigte sich in ihren Beiträgen besonders mit dem Aspekt des Dekonstruierens, Auseinandernehmens, Schneidens, Zerlegens, der auf Methoden der Moderne rekurriert. In verschiedenen Disziplinen tauche das Thema der Reinigung auf, der Wunsch Tabula rasa zu schaffen. Diese Art der Inszenierung, lässt sich als performatives Verfahren, politisch begründen: Die Aufarbeitung des Nationalsozialismus sei zögerlich gewesen, die Verdrängungsanstrengung groß. Es habe vielfach aggressives Niederhalten schöpferischer Regungen gegeben. Gewalt kam in purgatorischen Verfahren poetologisch zum Ausdruck. Sowohl im Aktionismus als auch in der Wiener Gruppe sei das Thema Gewalt vorherrschend.
Das dekonstruktive Moment in der Wiener Gruppe sieht Klaus Kastberger allerdings vor allem als ein analytisches. Neben dem Aufsehen erregenden Aktionismus fänden konstruktive Entwicklungen in der öffentlichen Wahrnehmung weniger Aufmerksamkeit, merkte er an. In der vorliegenden Publikation würden die einzelnen Strömungen jedoch ausgewogen behandelt.
Anna Spohn ortete bei vielen Autoren ein Problem mit dem Avantgarde-Begriff. Eine gewisse Aggression schwinge bei diesem Begriff mit.
Auf die Frage des Moderators Klaus Kastberger nach der Definition des Avantgardebegriffs durch die Herausgeberinnen betonte Elisabeth Großegger, dass sich erst mit umfangreicher Forschungsarbeit eine klare Begriffsbildung für diese Nachkriegsavantgarden herauskristallisieren könne. Im jetzigen Stadium sei der Avantgardebegriff vor allem als Diskursbegriff zu verstehen. Man müsse überprüfen und genau hinsehen, um nicht in Abgrenzungsmanie zu verfallen und voreilig Künstlerpositionen auszuschließen. Das Ziel von ViennAvant, mit Forschung und kontextueller Sicht der Legendenbildung und der Selbsthistorisierung der Protagonisten entgegenzuwirken, werde wahrgenommen.
Auch Nina Polaschegg plädierte für intensive Arbeit am Diskurs verschiedenster Teilperspektiven der Avantgarde, um zu einer Begriffsbildung zu kommen. Ein zweiter Durchgang mit einem weiteren Symposium, um den Begriff neu zu durchdenken, sei sinnvoll. Bezüglich der Musik merkte sie an, dass sich hier die Randsituation Österreichs besonders negativ ausgewirkt habe. Die Avantgarden in der österreichischen Nachkriegsmusik seien international nicht präsent gewesen und auch Free Jazz nicht. Im Verhältnis dazu seien Literatur und Bildende Kunst international breit diskutiert worden.
Ein weiterer Aspekt wurde mit der Konstruktion der Figur „Kulturnation Österreich“ nach 1945 angesprochen. Die Künstler seien durch diese Nationalitätskonstruktion in ihrem eigenen Feld herausgefordert worden und haben auf ihre Weise reagiert.
Anna Spohn arbeitete die Figur des Bruchs heraus. Avantgarden seien Kunstströmungen, die mit vorausgegangenen gebrochen haben. Konsens herrschte, dass es berechtigt sei, von einer Wiener Avantgarde zu sprechen. Auch Zeitzeugen meldeten sich aus dem Publikum zu Wort und schilderten die Gruppendynamik der Wiener Avantgardisten. Sie seien eine dichte Gruppe einander konkurrenzierender Akteure gewesen und hätten einen dichten Resonanzraum erzeugt. Das Spezifische sei die Stimmung gewesen und die sei nicht vermittelbar.
Diese Stimmung wurde jedoch in der Folge in der Interpretation und Projektion der graphischen Partitur von Anestis Logothetis durch Alexander J. Eberhard präsent und gab der Veranstaltung eines sehr dichten Abschluss.
Nach dem offiziellen Ende der Veranstaltung gingen die Diskussionen intensiv weiter:
Die Kulturabteilung der Stadt Wien hat die Veranstaltung gefördert.