CRiSiS
Willkommen zur Broschüre zur 7. EAM-Konferenz zum Thema CRiSiS. Diese Konferenz sollte vom 17. bis 19. September 2020 an der Geisteswissenschaftliche Fakultät der Universität Leuven in Belgien stattfinden, wo sie vom MDRN-Forschungslabor (www.mdrn.be) veranstaltet worden wäre.
Angesichts der Covid-19-Pandemie haben wir uns jedoch in den Monaten vor der Veranstaltung als Organisatoren der Konferenz mit einer der älteren Bedeutungen des Begriffs „Krise“ konfrontiert: der Moment kurz vor der Entscheidung. Als wir beschlossen haben, die Konferenz abzusagen, war bereits die Auswahl von eingegangenen Paper Vorschläge getroffen. Die intellektuelle Arbeit der akzeptierten Redner anzuerkennen, um ihnen zumindest einen Einblick zu geben, wie diese interdisziplinäre Konferenz ausgesehen hätte, und den jüngsten unter den Delegierten zu ehren, von denen einige zum ersten Mal in ihrer Karriere an einer Konferenz teilgenommen hätten, haben wir uns entschlossen, mit der Zusammenstellung dieser Broschüre fortzufahren, die neben den Abstracts auch ein provisorisches Programm enthält. Teilweise unvollständig, ein Überbleibsel eines Bauvorhabens, das durchgeführt und dann aufgegeben wurde, ist dies das CRiSiS, das die 7. Zweijahreskonferenz der EAM veranstaltet hätte.
Das Thema
Krisenvorstellungen haben die Forschung der europäischen Avantgarde und Moderne schon seit langem beschäftigt. Avantgardisten und Modernisten waren im Laufe ihrer Geschichte mit vielerlei Krisen konfrontiert, wirtschaftliche oder politische, wissenschaftliche oder technologische, ästhetische oder philosophische, kollektive oder individuelle, lokale oder globale, kurze oder beständige. Modernisten und Avantgardisten wurden wiederum häufig bezichtigt, Krisen ausgelöst zu haben, sei es künstlerische oder kulturelle, sensorische oder konzeptuelle, zufällige oder absichtliche, weitreichende oder unwesentliche, gegenständliche oder sonstige. Gerade die Begriffe „Avantgarde“ und „Moderne“ sind immer wieder konzeptuellen Krisen ausgesetzt worden oder haben diese provoziert und damit befinden sich die Moderne und die Avantgarde als Forschungsgebiet am ewigen Rand einer sich selbst löschenden theoretischen Krise zurück.
Die 7. zweijährige Konferenz der EAM hatte als Ziel, das Verhältnis von Avantgarde und Moderne in Europa zu Krise/n zu erörtern, mit einem besonderen Interesse an neuen Forschungsarbeiten in drei Themen. Zuerst wollten wir die theoretische Komplexität des Krisenbegriffs erforschen. Denn was ist eigentlich eine Krise? Der Begriff wird in der Moderne und in der Avantgarde oft sehr lose definiert, und eine kurze Übersicht zeigt, dass wir selten von Krisen gleichen Maßstabes, gleicher Geltung oder gleicher Auswirkung sprechen. Wenn wir klarstellen, was genau als Krise gilt, können wir sicherlich ein besseres Verständnis für die europäischen Avantgarden und die Moderne gewinnen. Was genau verstehen wir unter „Krise“? Ist Krise vor allem ein narratives Mittel? Gibt es jemals keine Krise? Gibt es Arten von Krisen, künstlerische oder andere, die wir bisher in den Studien der Avantgarde oder der Moderne vernachlässigt haben? Und welche (andere) Sichtweise(n) der Krise projizieren Avantgardisten und Modernisten selbst?
Zweitens wollten wir die krisenreiche historische Entwicklung der Avantgarde und der Moderne erforschen. Während oft behauptet wird, dass der Krisenbegriff der Schlüssel zu einem angemessenen Verständnis der (späten) Moderne ist, sahen sich die europäischen Avantgarden und Modernisten während ihrer Entwicklung mit unterschiedlichen historischen Krisen konfrontiert. Inwieweit haben all diese Krisen, die sich über mehrere Jahrhunderte erstrecken, einen gemeinsamen Nenner? Welche Rolle spielen nationale und regionale Unterschiede im Zeitverlauf? Verändert sich das Projekt von Avantgarde und Moderne, entlang ihrer Kritik an Krise im Laufe der Zeit grundlegend oder nicht? Vorschläge, die eine historische Fallstudie erörtern oder mehrere historische Fälle aus verschiedenen Zeiten oder Regionen in Europa vergleichen, waren daher besonders willkommen. Drittens und schließlich haben wir begeistert Vorschläge ermutigt, die sich mit der praktischen Seite der Dinge in allen Bereichen der Avantgarde und der Moderne befassen: Kunst, Literatur, Musik, Architektur, Film, künstlerische und soziale Bewegungen, Lebensstil, Fernsehen, Mode, Theater, Performance, Aktivismus, kuratorische Praxis, Design und Technologie. Wie geben europäische Avantgardisten und Modernisten Krisen eine ästhetische Form? Welche Repräsentationsstrategien und -taktiken werden in ihrer Praxis angewendet? Welche affektiven (und anderen) Krisenerfahrungen ermöglicht ihre Arbeit? Welche Krisen bringen ihre experimentellen Praktiken mit sich – schaffen die Avantgarden und die Moderne tatsächlich eigene Arten von Krisen?