Zur Orientierung, Positionierung und Etablierung zeitgenössischen Komponierens in Wien 1945–75
Nach dem nationalsozialistischen Kahlschlag standen jene Wiener Komponisten, die eine avancierte Richtung verfolgten, vor mehrfachen Schwierigkeiten. Bevor daran zu denken war, den Anschluss an internationale avantgardistische Richtungen zu suchen, galt es zunächst, den enormen Nachholbedarf in Bezug auf die vormals verfemte klassische Moderne abzudecken. Dass die Orientierung über die musikalische Avantgarde dann um ein bundesdeutsches Zentrum kreiste, bildete nach der jüngsten Geschichte ein lange nachwirkendes Paradox. Während es zunächst in der Wiener musikalischen Öffentlichkeit selbst keinen Platz für avantgardistische Positionen zu geben schien, konnte sich erst das 1958 von Friedrich Cerha und Kurt Schwertsik gegründete Ensemble „die reihe“ ein regelmäßiges Podium erobern. Dies brachte jedoch noch keineswegs Aufführungsmöglichkeiten in größerem Rahmen mit sich, weshalb die Komponisten noch lange auf Veranstalter von außerhalb angewiesen waren. Der Wiener Grund blieb diesbezüglich bis in die 1970er Jahre ein Entwicklungsgebiet, auch wenn hier Werke entstanden, die zu neuen ästhetischen Ufern aufbrachen. Das Spannungsfeld zwischen Kreativität und (öffentlicher) Resonanz wird im Zentrum meiner Überlegungen stehen.
Daniel Ender, Mag., Studium Musikwissenschaft, Philosophie und Germanistik sowie Instrumentalpädagogik Klavier und Orgel in Wien. Redakteur der Österreichischen Musikzeitschrift, Musikkritiker und Ständiger Freier Mitarbeiter der Tageszeitung Der Standard sowie der Neuen Zürcher Zeitung, Vortragstätigkeit und Komponistengespräche u.a. für die Wiener Festwochen und die Österreichische Gesellschaft für Musik. Publikationen (Auswahl): Der Wert des Schöpferischen. Achtzehn Portraitskizzen und ein Essay, Wien 2007. Lexikonartikel für KDG, MGG 2 und New Grove Dictionary. Aufsätze über Th. W. Adorno und Walter Benjamin, Peter Eötvös, Morton Feldman, Beat Furrer, Georg Friedrich Haas, Helmut Lachenmann, Frank Martin, Wolfgang Rihm, Johannes M. Staud. Programmheftbeiträge u.a. für die Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, das Wiener Konzerthaus, die Salzburger Festspiele, die Donaueschinger Musiktage und die Opéra National de Paris. Arbeitet derzeit an einer Dissertation über Beat Furrer.